Die Begründung des Regelkonsequentialismus

Hooker unterscheidet zwei Argumente für den Regelkonsequentialismus: das konsequentialistische Argument und das Überlegungsgleichgewichtsargument. Hooker begründet seinen Regelkonsequentialismus mit dem Überlegungsgleichgewichtsargument und hält das konsequentialistische Argument für unzureichend.

Das konsequentialistische Argument für den Regelkonsequentialismus

Die konsequentialistische Begründung des Regelkonsequentialismus basiert auf der konsequentialistischen Annahme, daß dasjenige, das moralisch Beste ist, was zu den besten Konsequenzen führt, bzw., daß das oberste Ziel der Moral die Herbeiführung der besten Konsequenzen ist. Ausgehend von dieser Annahme wird argumentiert, daß die allgemeine Akzeptanz bestimmter Regeln zu den besten Konsequenzen führt (und insbesondere zu besseren Konsequenzen als die allgemeine Akzeptanz des handlungskonsequentialistischen Prinzips).

The argument begins with the idea that the goal of morality is to produce the best consequences. It moves on to the suggestion that the moral theory whose acceptance would produce the best consequences is rule-consequentialism. Call this the consequentialist argument for rule-consequentialism. (Hooker 2006, 236)

Das konsequentialistische Argument lautet also:
1. Das oberste Ziel der Moral besteht in der Herbeiführung der besten Konsequenzen.
2. Die allgemeine Akzeptanz bestimmter Regeln führt zu den besten Konsequenzen.
3. Also führt die Akzeptanz des Regelkonsequentialismus zu den besten Konsequenzen.
4. Also ist der Regelkonsequentialismus allen anderen ethischen Theorien vorzuziehen.

Folgender Einwand widerlegt diese Begründung des Regelkonsequentialismus:
Es trifft zwar zu, daß die allgemeine Akzeptanz bestimmter Regeln zu den besten Konsequenzen führt. Man sollte daher stets – außer in außergewöhnlichen Fällen – moralische Regeln befolgen und nicht versuchen, in jeder Situation das handlungskonsequentialistische Prinzip direkt anzuwenden (was bedeuten würde, daß man in jeder Situation die Konsequenzen jeder Handlungsalternative abschätzen müßte und diejenige Handlung auführen sollte, die in dieser Situation wahrscheinlich zu den besten Konsequenzen führt). Prämisse (2) des Arguments ist also zutreffend. Daraus folgt jedoch nur:
– Das konsequentialistische Entscheidungskriterium, d. h. das zu den besten Konsequenzen führende Entscheidungskriterium, muß regelbasiert sein.
– Daher ist das Entscheidungskriterium des direkten Handlungskonsequentialismus aus konsequentialistischer Sicht nicht zu rechtfertigen und folglich der direkte Handlungskonsequentialismus nicht haltbar.
Aus dem Argument folgt aber nicht, daß das Richtigkeitskriterium in der Übereinstimmung mit bestimmten Regeln besteht. Es folgt also nicht die regelkonsequentialistische Behauptung, daß eine Handlung genau dann richtig ist, wenn sie von den Regeln, deren allgemeine Akzeptanz zu den besten Konsequenzen führt, erlaubt oder geboten wird. Da sowohl der Regelkonsequentialismus als auch der indirekte Handlungskonsequentialismus ein regelbasiertes Entscheidungskriterium haben, folgt aus dem Argument nur, daß man anstatt eines direkten Handlungskonsequentialismus einen indirekten Handlungskonsequentialismus oder einen Regelkonsequentialismus vertreten soll. Aus dem Argument folgt aber nicht, daß der Regelkonsequentialismus dem indirekten Handlungskonsequentialismus vorzuziehen ist.

Insgesamt nennt Hooker drei Schwächen des konsequentialistischen Arguments für den Regelkonsequentialismus:

The consequentialist argument for rule-consequentialism has three weaknesses. The first is that the consequentialist argument for rule-consequentialism may be wrong to claim that the moral theory whose acceptance would produce the best consequences is rule-consequentialism. Actually, I think a very good case can be made that here the consequentialist argument for rule-consequentialism is not wrong. But I admit that the issue is hardly settled. The second weakness in the consequentialist argument for rule-consequentialism is that the argument starts with a consequentialist premise, namely that the goal of morality is to produce the best consequences. This consequentialist premise is questioned by many. It needs defense. The consequentialist argument for rule-consequentialism cannot provide that defense. In a way, the consequentialist argument for rule-consequentialism starts further downsteam than it should.
The third weakness in the consequentialist argument for rule-consequentialism is that it conflates practical questions with epistemic ones. The question of which moral theory is the one whose acceptance would produce the best consequences is largely a question about the practical consequences of people's having this or that set of beliefs. The question of which moral theory is correct seems to be a different question. Because the questions are different, they might get different answers. For example, theory A might be the moral theory whose acceptance would produce the best consequences. The correct moral theory might instead be teory B. In short, this [...] argument for rule-consequentialism unjustifiably supposes that the moral theory whose acceptance would produce the best conseuences is also the correct moral theory. (Hooker 2006, 236f.)

 

Zitierte Literatur:

Hooker, Brad (2006): Right, Wrong, and Rule-Consequentialism, in The Blackwell Guide to Mill’s Utilitarianism, hrsg. von Henry R. West, Oxford, S. 233–48.